„Intervall-Rasten“: Ein Loblied auf die Pause

„Zeit ist Geld“, heißt es: Wir messen Leistung in Stunden, tauschen Zeit gegen Geld und erhöhen den Takt, um effizienter zu sein. Höher, schneller, weiter – bis unser Akku leer, weil wir eines vergessen haben: die Pause.   

Im ersten stg-Impuls 2022 erfahren Sie, warum Pausen ein Gewinn sind. Wir widerlegen das Vorurteil, Nichtstun sei unproduktiv. Wir geben Tipps, wie Sie Pausen in Ihr Arbeitsleben einbauen können.  

stg impuls pausen

Was ist Zeit?

Zeit ist eine physikalische Größe, bezeichnet mit t. Die Zeit beschreibt eine Abfolge von Ereignissen. Sie hat demnach eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung. Zeit ist eine rätselhafte Größe. Sie ist Bewegung, Veränderung und der Grund dafür, dass nicht alles auf einmal geschieht. Zeit ist mal lang, mal kurz. Sie wird vertrieben, verbraucht oder gefressen. Albert Einstein stellte fest: „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“  


Vom Rhythmus zum Takt 

Vieles, das unser Leben beschwert, hat mit unserem Umgang mit der Zeit zu tun. Schließlich bleibt es nicht beim von Einstein‘schen Ablesen. Die Uhr gibt uns einen Takt vor, nach dem wir leben. Dieser funktioniert wie ein Kippschalter, erläutert der Zeitforscher Karlheinz Geißler. Es gibt nur „an“ und „aus“.  

Der Takt ist ein Produkt der Industrialisierung. Als Zeitmaß bewertet er die Produktivität (Produktion pro Zeiteinheit) der Arbeit an Maschinen. Die Uhr ist das Kontrollinstrument immer gleicher Abläufe, von Standardisierung und Effizienz. Die Zeit bekam einen Preis und wurde wertvoll.  

Damit löste der Takt den bäuerlichen Rhythmus ab, der sich am Tageslauf der Sonne, den Mondzyklen sowie Jahreszeiten und klimatischen Wechseln orientiert. Wann Heu einzuholen ist oder Holz geschlagen wird, verortet sich wiederkehrend im Jahreslauf. Ein präzises Zeitfenster gibt es nicht. Die Natur ist immer rhythmisch.  


Der Mensch als Rhythmuswesen 

Wir haben keinen Kippschalter, der sich an- und ausschalten lässt. Hochleistung auf Knopfdruck oder Vollbremsung zum Stillstand – das funktioniert nicht. Zeitforscher Geißler betont: „Menschen sind Rhythmuswesen“. Der menschliche Organismus beruht auf einem Wechsel von Aktivität und Regeneration. Wir atmen ein und aus, wir essen und verdauen. Ohne Anspannung und Entspannung der Muskeln könnten wir uns nicht bewegen. Ohne Schlaf könnten wir nicht wach sein.  

Verantwortlich dafür ist das vegetative oder autonome Nervensystem mit seinen Gegenspielern Sympathikus und Parasympathikus. Der Sympathikus versetzt uns in Handlungsbereitschaft und mobilisiert Energie. So können wir Herausforderungen meistern und Neues lernen. Der Parasympathikus hingegen steuert die autonomen Prozesse, die in Ruhe ablaufen. Er ist verantwortlich für Entspannung und Erholung und erlaubt es uns, Gelerntes zu integrieren und Kraft zu sammeln.  


Praktische Tipps für Ihre Pause

Der Sport macht’s vor 

In einem gesunden Rhythmus zu leben, ist heute eine Kunst, wenn die Entspannung im schnellen Takt des Alltags untergeht. Dabei zeigen Menschen, die Hochleistungen vollbringen, wie wichtig Pausen sind. Sportler bauen Pausen als unverzichtbaren Bestandteil in ihren Trainingsplan. Muskeln müssen sich regenerieren, um zu wachsen. Das Gehirn braucht Ruhe, um Bewegungsabläufe zu verinnerlichen.  

Aber wie lässt sich das Hamsterrad anhalten? In kleinen Schritten und selbstbestimmt. Warten Sie nicht auf den Impuls von außen. Machen Sie sich auf den Weg zu mehr Rhythmus im Leben und einer vielfältigeren Zeitkultur.  


1. BRAC – der Rhythmus unseres Körpers

Alle 70 bis 90 Minuten sinkt das Konzentrationslevel ab. Spätestens dann benötigen Sie eine Pause von etwa zehn bis 20 Minuten. Der Grund: Sympathikus und Parasympathikus schwingen im Wechsel. Wir sind also maximal 70 bis 90 Minuten lang auf Aktivität eingestellt, danach folgt ein Leistungstief. Das ist der richtige Zeitpunkt für eine Pause. 

Der amerikanische Forscher Nathaniel Kleitmann entwickelte in den 1960er Jahren die These des “Basic Rest Activity Cycle”, kurz (“elementarer Rhythmus von Aktivität und Pause”). BRAC beschreibt den Leistungsrhythmus des Menschen. Kleitmann unterstellt einen neurophysiologischen Rhythmus, der die Funktion der Zellen und Organe in einem Rhythmus von jeweils etwa 90 Minuten „schwingen” lässt.  

Arbeiten nach der BRAC-Methode 

Mit BRAC können Sie Ihren Tag in 90-Minuten-Blöcke unterteilen. Arbeiten Sie in dieser Zeit konzentriert. Machen Sie nach dem Aktivitätsblock etwa zehn Minuten Pause. Dann folgt die nächste Einheit. Nach dem zweiten Block kann die Pause etwas länger ausfallen (ca. 30 Minuten).  

Schnell werden Sie feststellen: Arbeiten nach der BRAC-Methode ist produktiv und schafft regelmäßige Inseln, um zu regenerieren. Sie sind am Schreibtisch leistungsfähiger, abends fitter und können besser abschalten.  

Unser Tipp: Wie lange können Sie sich gut konzentrieren, sind es 70 oder eher 100 Minuten? Danach richtet sich die Länge Ihrer BRAC-Blöcke.  


2. Pausen mit Unterstützung des Nervensystems

Mit dem Wissen um die rhythmische Funktionsweise des Nervensystems lassen sich Pausen gezielt gestalten. Als Faustregel gilt: eine Minute, 10 und 30 Minuten.  

Eine Minute: flexible Minipausen  

Für den Sympathikus: Stellen Sie den Handytimer auf eine Minute und laufen Sie so schnell wie möglich auf der Stelle. Anschließend klopfen Sie Arme, Rumpf und Beine kräftig ab, zuerst vorne, dann auf der Rückseite. Das belebt! 

Für den Parasympathikus: Stehen Sie „unter Dampf“, lehnen Sie sich zurück. Atmen Sie tief ein und betont langsam aus. Lassen Sie den Blick schweifen, weg vom Bildschirm, aus dem Fenster in die Weite.  

Zehn Minuten: zum Runterkommen 

Für den Parasympathikus: In den Pausen zwischen den 90-Minuten-Blöcken üben Sie den bewussten Wechsel zwischen Leistung und Loslassen. Sperren Sie bitte den Bildschirm oder klappen Sie das Notizbuch zu. Dann stehen Sie auf, kochen einen Tee und genießen die ersten Schlucke. Oder streicheln Sie Ihr Haustier, auch das aktiviert den Parasympathikus.  

30 Minuten: Gemischte Mittagspause 

Mittagszeit: „Jetzt ist Pause!“ Schalten Sie bewusst von Anspannung auf Entspannung. Essen Sie möglichst weit weg vom Bildschirm und falls möglich in Gesellschaft. Auch das aktiviert den Parasympathikus. Abschließend eine Runde an der frischen Luft belebt und erleichtert den Wechsel in die Aktivität.  


3. Übergänge gestalten 

Wer beim Sport „kalt“ startet, ohne sich aufzuwärmen, riskiert Verletzungen. Wer sich nach einer intensiven Belastung sofort aufs Sofa wirft, ebenfalls. Der Körper braucht den Übergang, nicht nur beim Sport.  

Das gilt für die Pausen während des Arbeitstags ebenso wie für den Übergang in den Feierabend. Vollgas bis Dienstschluss und dann Erholung auf Knopfdruck, das klappt nicht.  

So kommen Sie entspannt in den Feierabend:  

  • Wichtig, vor allem im Homeoffice: Setzen Sie ein exaktes Arbeitsende.  
  • Lesen Sie spätestens 30 Minuten davor keine E-Mails mehr ab. 
  • Beantworten Sie 30 Minuten vor Feierabend nur noch dringende Anrufe. 
  • Schreiben Sie sich alle offenen Aufgaben auf. So vergessen Sie nichts und bekommen den Kopf frei. 
  • Pflegen Sie ein Feierabendritual, um besser abzuschalten. Räumen Sie zum Beispiel den Schreibtisch auf und fahren Sie den PC runter.
  • Verabschieden Sie sich von Ihren Kolleg*innen. Das ist höflich und zeigt allen: Sie sind ab jetzt nicht mehr verfügbar. 

Übrigens

Mehr über diese Themen lesen Sie in unserem stg-Impuls. Das sind Expertentipps aus unserer Beratungspraxis, die wir unseren Kundenunternehmen und deren Mitarbeitenden regelmäßig in gelayouteter Form zur Verfügung stellen.

Möchten Sie mehr darüber erfahren? Dann wenden Sie sich bitte an Martin Reinhardt.


Quellen Fotos: Artikelbild Pixels Andrea Piacquadio; Bild im Text Pixels Cottonbro