
Nach einem Unfall oder durch eine plötzliche schwere Erkrankung kommt es meist völlig unerwartet, dass die Partnerin, der Partner oder ein Elternteil zum Pflegefall wird und den Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen kann. Wie Sie als Angehörige*r diese emotionale (und auch organisatorische) Herausforderung angehen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Wenn Angehörige plötzlich pflegebedürftig werden, kann das für alle Beteiligten eine psychosoziale Krise auslösen. Bewährte Fähigkeiten und Strategien reichen dann nicht mehr aus, um die schwierige Situation zu meistern. Das seelische Gleichgewicht gerät ins Wanken. Als „Person in der 2. Reihe“ erleben Angehörige die Krise unmittelbar mit. Und durch die Beziehung, die sie zu den Betroffenen hat, betrifft sie sie auch direkt.
Die Umstellung auf eine solche Situation trifft die meisten Menschen unvorbereitet. Selbst wenn sich bei einer schweren Krankheit schon zuvor ein solcher Verlauf andeutet, ist das tatsächliche Erleben der Situation dann eine schwere Herausforderung. Die Pflege eines geliebten Menschen ist eine kräftezehrende Aufgabe, vor deren Hintergrund alltägliche Probleme plötzlich irrelevant werden. Pflegende Angehörige leiden häufig unter Schlafmangel und Konzentrationsschwierigkeiten. Als personalverantwortliche Führungskraft gilt es, hier mit dem nötigen Feingefühl zu reagieren.
Was passiert mit Menschen, die in diese Situation geraten?
Verständnis ist das erste Gebot in einer solchen Ausnahmesituation, nicht nur für Personaler und Führungskräfte.
Die Belastungen, die mit der Pflege eines geliebten Menschen einhergehen, sind enorm, sowohl körperlich als auch psychisch. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Mitarbeitenden, hören Sie zu, spenden Sie Kraft. Denn die Betroffenen durchleiden eine Krisensituation, die von vielen als kaum zu bewältigen erlebt werden.
Die Phasen einer Krise
Die Phasen einer Krise beschreiben den emotionalen Prozess, den Menschen durchlaufen, wenn sie mit einer plötzlichen und belastenden Situation konfrontiert sind. Diese Phasen bieten Orientierung und helfen zu verstehen, wie sich Gefühle und Reaktionen im Laufe der Zeit verändern.
1. Schock: In der Schockphase reagiert die betroffene Person auf die Krise mit einem Gefühl der Überwältigung. Dies äußert sich häufig in einer emotionalen Erstarrung, Ungläubigkeit oder einem Gefühl der Taubheit. Manchmal können auch körperliche Symptome wie Zittern oder Schwäche auftreten. Diese Phase dient als kurzfristiger Schutzmechanismus, der es ermöglicht, die Schwere der Situation vorerst abzufedern.
2. Reaktion: In der Reaktionsphase zeigen sich die emotionalen Auswirkungen der Krise. Gefühle wie Angst, Verzweiflung, Trauer oder auch Wut treten in den Vordergrund. Menschen in dieser Phase verarbeite die Krise emotional besser, wenn sie alle Gefühle – belastende wir stärkende – da sein lassen und ihnen Raum geben. Diese Phase kann sehr intensiv und herausfordernd sein, da die Realität der Krise immer greifbarer wird.
3. Bearbeitung: In der Bearbeitungsphase beginnt die Person, die neue Realität zu akzeptieren und nach Lösungen oder Bewältigungsstrategien zu suchen. Es geht darum, die Situation aktiv anzugehen, z.B. durch notwendige Veränderungen oder Unterstützung. Hierbei können Reflexion und Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen helfen, den Weg nach vorne zu finden.
4. Neuorientierung: Die Neuorientierungsphase ist der Punkt, an dem die betroffene Person wieder nach vorne blickt. Oft entstehen in dieser Phase neue Perspektiven oder positive Entwicklungen, die zuvor nicht möglich erschienen. Die Krise ist nun ein integrierter Teil der Lebensgeschichte, der als Erfahrung dient.

Quelle: https://twitter.com/quarkswdr/status/1245232946874810368
Neue Rollen der engen Bezugspersonen
Für Menschen, die Angehörige in einer Krise begleiten, verändert sich ihre bekannte und vertraute Rolle, die sie vielleicht über Jahrzehnte eingenommen haben. Sie sind nicht mehr nur Ehemann oder Ehefrau, Sohn oder Tochter, sondern vor allem Begleitende oder Pflegende. Das wirkt sich auch auf die Dynamik und die Beziehung zur*m Betroffenen aus.
Jemanden durch eine schwierige Zeit zu begleiten, ist eine wichtige Unterstützung, doch sie sollte nicht in ein Ungleichgewicht oder Überfürsorge kippen. Ein Betroffener darf – solange er oder sie keiner und keinem anderem dadurch schadet – eigene Entscheidungen treffen. Das gilt es immer zu akzeptieren.
Vorsicht, Helfersyndrom!
Wichtig ist, dass die Begleitenden das Gleichgewicht der Beziehung im Auge behalten. Überfürsorge kann in diesem Zusammenhang zum Problem werden. Ein Risiko ist auch das sog. Helfersyndrom. Für Menschen, die darunter leiden, erfüllt Helfen eine besondere Aufgabe: Nur wenn sie andere unterstützen können, wenn andere ihre Hilfe brauchen und auf sie angewiesen sind, fühlen sie sich wertvoll.
Aktiv und hilfreich unterstützen, ohne sich selbst zu verlieren
Angehörigen zu begleiten oder zu pflegen, kann erfüllend sein, aber auch körperlich und psychisch sehr beanspruchen. Das kann gesundheitliche Probleme bis hin zu Krankheit verursachen und sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken.
Wirklich beistehen und helfen können wir allerdings nur, v.a. auf Dauer, wenn wir auch gut auf uns schauen. Diese Balance zu immer wieder neu herzustellen, ist eine Herausforderung.
Gezielte entlastende Maßnahmen können helfen, die Begleitung zu erleichtern und vor Überlastung zu schützen.
Wie können Sie im Personalmanagement richtig helfen?
Wenn Ihre Mitarbeitenden betroffen sind, ist es wichtig, mit dem nötigen Feingefühl zu reagieren. Oft kommt es vor, dass pflegende Angehörige nicht nur müde und unkonzentriert zur Arbeit erscheinen, die belastende Situation führt auch oftmals zu inneren Konflikten. Viele Menschen beschäftigen sich etwa auch mit der Sinnhaftigkeit ihres Daseins und ihrer Arbeit. Hier liegt die Gefahr, dass Mitarbeitende nicht nur leistungsschwächer werden, sondern gar das komplette Interesse an der Arbeit verlieren und sich selbst in tiefe Sinnkrisen stürzen.
Wenn eine solche Sinnkrise auftritt, ist es für Personaler und Führungskräfte meist schon zu spät, um dem entgegenzuwirken. Daher ist es sinnvoll, Mitarbeitende gleich zu Beginn der Krise zu unterstützen, wo es nur möglich ist. Zuhören und Verständnis zeigen sind das eine. Aber oftmals erfordert es die Situation, dass eine professionellere Hilfe gewährleistet ist. An dieser Stelle kommen wir von stg ins Spiel. Wir helfen da, wo Ihre Grenzen es nicht mehr zulassen!
Betroffene unterstützen, das Team stärken!
Mit der Hilfe unserer Psychologen begleiten wir die Mitarbeitenden durch diese schwere Zeit. Wir sind für sie da, wir geben Hilfestellung, Kraft und wertvolle Unterstützung. Ebenso können wir absehen, ob eine Auszeit nötig wird und ob diese ganz oder in Teilzeit stattfinden sollte. Das Ziel ist, die Betroffenen nach allen Kräften zu unterstützen, damit Sie keine wertvolle Arbeitskraft verlieren. Gleichzeitig präsentieren Sie sich so auch den anderen Mitarbeitenden als verantwortungsvoller Arbeitgeber und schaffen so eine engere Bindung, höhere Arbeitsmoral und bessere Leistungsfähigkeit.
Und genau das ist essenziell, schließlich verteilt sich die Arbeitslast der betroffenen Person auf die anderen Mitarbeitenden. Wenn Sie in Ihrer Position hier richtig reagieren und die optimale Unterstützung signalisieren, schweißt das das Team enger zusammen und sorgt dafür, dass die anfallenden Mehr-Aufgaben gemeinsam bewältigt werden.
Sie haben Fragen zu unserer Arbeit und wie wir pflegende Angehörige unterstützen können? Kontaktieren Sie uns jetzt!
Übung: „Energietank“. Wo liegt Ihr Energielevel und wo ist es nötig aufzutanken?
Mithilfe des Bildes vom Energietank können Sie einen persönlichen Energiecheck vorzunehmen. Anhand dieser Übung machen Sie Energiespender und Energieräuber aus und können sich Maßnahmen überlegen, um Ihr Energieniveau bewusst anzuheben. Schritt für Schritt.
Quelle: Sylvia Kéré Wellensiek/Kirsten Schwarz: Der Resilienzparcours ©Beltz Verlag 2018
Unsere Leseempfehlung
Unsere externe Mitarbeiterberaterin Maja Günther begleitet seit vielen Jahren Menschen durch schwierige Lebenssituationen und Krisen. In den Buch hat sie ihre Erfahrungen zusammengefast und gibt hilfreiche, praxisorientierte Tipps, um seelische Ausnahmesituationen gut zu meistern.

Günther, M., Sterr, A. (2022). Durch die Krise begleiten. Rat und Hilfe für Menschen in seelischen Ausnahmensituationen. München: pal. https://shop.palverlag.de/products/durch-die-krise-begleiten