Einsamkeit – Annäherung an ein schwieriges Gefühl

Auf die Frage nach „dem“ Gefühl der Pandemie stünde die Einsamkeit sicher ganz oben auf der Antwortliste. Gleich neben Hilflosigkeit oder Angst. Einsamkeit ist ein Gefühl, mit dem wir uns schwertun, auch und gerade, weil es ein Tabu ist, darüber zu sprechen. Wir tun’s trotzdem und wagen eine Annäherung mit praktischen Tipps.

Einfach mal mit jemandem reden

Der Bereitschaftsdienst der stg-Mitarbeiterberatung ist rund um die Uhr an 365 Tagen für die Beschäftigten unserer Kundenunternehmen und deren Angehörige da. Wer anruft, bekommt – egal wann – sofort Hilfe am Telefon durch erfahrene Berater*innen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie im letzten Jahr ist ein Thema viel häufiger Grund oft verzweifelter Anrufe: Einsamkeit. Schon mehrfach haben unsere Kolleg*innen gehört: „Ich wollte einfach mal mit jemandem reden.“ Und das nicht selten mitten in der Nacht.  


Falls Sie sich im beruflichen Umfeld belastet fühlen, oder privat vor Herausforderungen stehen, die sich auch auf Ihren Beruf auswirken, können Sie über Ihren Arbeitgeber Unterstützung von externen Experten erhalten. Die läuft über ein so genanntes EAP – die externe Mitarbeiterberatung. Sprechen Sie Ihre Personalabteilung oder Ihren Betriebsrat darauf an. Hier gibt es mehr Informationen dazu: EAP erklärt


Was ist Einsamkeit?

Einsamkeit ist ein Gefühl, das wir als (sehr) unangenehm empfinden. Es speist sich aus dem Mangel an Nähe und zeigt sich in der Sehnsucht nach Kontakt und Verbundenheit mit Menschen. Einsamkeit ist wie „sozialer Durst“. Sie zeigt uns auf schmerzliche Weise, dass eines unserer Grundbedürfnis gerade nicht befriedigt ist.

Einsamkeit ist auch körperlich spürbar. Sie tut weh, und das kann auch ganz konkret sein – mit meist diffusen Schmerzen oder Verkrampfungen in bestimmten Bereichen. Oft sind es die Stellen Ihres Körpers, die Sie ohnehin schon als „wunde Punkte“ kennen, der Nacken zum Beispiel oder die Schulter.

Als Gefühl kommt die Einsamkeit meist nicht allein. Traurigkeit, Scham, auch Selbsthass sind häufige Folgegefühle. Ist sie intensiv und überdauernd, kann Einsamkeit auch negative Folgen auf physischer und psychischer Ebene haben. Schlafprobleme zählen ebenso dazu wie kognitive Einbußen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Ängste oder auch Depressionen.


Eine wichtige Unterscheidung

Fühlen Sie sich einsam oder sind Sie allein? Das ist ein wichtiger Unterschied. Einsamkeit ist ein Gefühl im Inneren des Menschen. Alleinsein ein Zustand, der von außen sichtbar ist. Und während Einsamkeit meist schmerzt, ist dies beim Alleinsein nicht zwangsläufig der Fall. Das nämlich kann sehr befreiend sein und helfen, Individualität und Sensibilität für die eigenen Bedürfnisse stärken. Dies gilt vor allem dann, wenn das Alleinsein frei gewählt ist. Manche Menschen leben ganz bewusst allein, andere gehen den Jakobsweg. Auch allein. Wer nur mit sich ist, ist leichter auch bei sich. Mit Einsamkeit hat das nichts zu tun.


Einsam in der Pandemie

Corona ist ein echter „Einsamkeits-Turbo“. Die Pandemie befeuert das Gefühl und trägt dazu bei, dass es im Moment viel präsenter ist als sonst. Normalerweise denken wir bei Einsamkeit doch meist an ältere, allein lebende Menschen. Normalerweise ist Einsamkeit weit weg. Das ist jetzt anders.

Die aktuelle Situation torpediert unser Bedürfnis nach Kontakt und Verbundenheit – und das schon seit knapp einem Jahr. Sonst sozial erwünschte Kontakte sind jetzt auf einmal tabu, ja sogar potenziell gefährlich. Die Freundin, den Freund beim Begrüßen umarmen, geht nicht. Der Kaffee zwischendurch mit den Kolleg*innen, geht nicht. Den runden Geburtstag in großer Runde feiern, auch das geht nicht. All‘ das fehlt im Moment.

Das heißt nicht, dass wir nicht kommunizieren oder niemanden sehen. Ganz im Gegenteil sitzen viele Arbeitnehmer*innen den ganzen Tag vor dem Bildschirm, vielleicht reiht sich ein Video-Meeting ans nächste. Kommunikation findet statt. Auf die Aufgabe(n) bezogen, ist sie zielführend und effizient, weil sie Zusammenarbeit auch unter den gegebenen Umständen sicherstellt. Zugleich ist sie rein funktional. Es geht um die Sache. Es fehlt der zwischenmenschliche „Kitt“, das sinnliche Erleben menschlicher Verbundenheit.

Und so fühlen sich viele einsam, ohne allein zu sein.


Entdecken Sie unser Employee Assistance Program (EAP), das Ihren Mitarbeitern professionelle Unterstützung bei beruflichen und privaten Belastungen bietet. Studien zeigen, dass diese Investition langfristig die Produktivität steigert und die Arbeitsatmosphäre verbessert. Hier gibt es mehr Informationen dazu: EAP Kosten & Nutzen


Es ist, wie es ist. Aber es wird, was Sie daraus machen.

Sie können etwas gegen die Einsamkeit tun. Grundsätzlich gibt es zwei Hebel, die sich ergänzen. Das heißt: Sie setzen entweder am Gefühl an und lenken Ihre Aufmerksamkeit oder sie verändern Ihr Denken und Handeln in der Situation. Hier einige Anregungen.

Kontaktinseln im Alltag

Solange die Pandemie-Situation angespannt bleibt wie im Moment, bleibt auch die Einsamkeit stete Begleiterin vieler Menschen. „Wegmachen“, das haben wir gesehen, funktioniert nicht. Ein realistisches Ziel ist daher, phasenweise rauszukommen aus der Einsamkeit. Ganz wird es derzeit nicht gelingen.

Vielmehr geht es darum, neue Erfahrungen zu machen, die Sie neben die Einsamkeit setzen können. Diese Gleichzeitigkeit darf sein. Auch sie ist ein Merkmal der aktuellen Ausnahmesituation.

Unsere Anregung: Gehen Sie von den Orten aus, an denen normalerweise soziale Kontakte stattfinden und überlegen Sie, was Sie dort machen, um mit anderen Menschen in Verbindung zu kommen. Wenn das bleiben soll, welcher Ort ließe sich dann dafür finden. Hier ist Einfallsreichtum gefragt. Einige Beispiele:

Virtuelle Kaffeeküche

Verabreden Sie sich mit Kolleg*innen nicht nur zum Jour Fixe per Videokonferenz oder Telefon, sondern auch zum Kaffeetrinken. Feste, ggf. sich wiederholende Termine, sorgen für Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit. Hilfreich kann auch das bewusste Weglassen von Gesprächsthemen sein – ganz nach dem Motto: „Wir reden über alles, außer über die eigene Befindlichkeit und Corona.“

Gemeinsames Konzert

Verabreden Sie sich mit Freunden oder Bekannten, um sich einen Livestream im Internet oder ein Konzert im Radio an anzuschauen oder anzuhören. Jede(r) für sich und doch gemeinsam. In der Pause und danach telefonieren Sie und tauschen sich aus. Im Foyer der Oper würden Sie’s genauso tun.

Virtuelle Kneipe

… oder die Fortsetzung der Kaffeeküche am Abend. Verabreden Sie sich zum Feierabendbier per FaceTime oder Teams oder was auch immer. In einem unserer Kundenunternehmen treffen sich Mitarbeiter*innen regelmäßig zum Online-Schafkopfen.


Übrigens

Was Sie noch gegen die Einsamkeit tun können, lesen Sie in unserem stg-Impuls. Das sind Expertentipps aus unserer Beratungspraxis, die wir unseren Kundenunternehmen und deren Mitarbeitenden alle zwei Wochen in gelayouteter Form zur Verfügung stellen.

Möchten Sie mehr darüber erfahren? Dann wenden Sie sich bitte an Martin Reinhardt.


Fotos: Mart Production, Sebastian Voortman (Pexels)

Registration Download
Vielen Dank für Ihr Interesse an unseren Inhalten. Wir können Ihnen das Dokument direkt per Email senden, Sie finden es dann auch in Ihrem Postfach und können es dort auch später wiederfinden.