Resilienz 2.0: Anpassen statt einfach weitermachen

Wenn der Wandel zur Konstante, die Krise zum Dauerzustand wird, ist die Fähigkeit, sich nach Rückschlägen wieder aufzurappeln, wichtig, aber nicht ausreichend. Es braucht mehr. Resiliente Menschen ‚managen‘ Schwierigkeiten nicht nur, sie integrieren die Lernerfahrungen aus deren Überwindung und reifen dadurch als Persönlichkeit.

Was das ist und wie Resilienz 2.0 aussieht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Resilienz stärken Tipps

 

Info & Input

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Resilienz – das ist wirklich nichts Neues. Der Begriff kommt eigentlich aus der Werkstoffkunde und bezeichnet hier die Fähigkeit eines Stoffs, nach einer Verformung wieder die ursprüngliche Gestalt anzunehmen. Eine durchaus praktische Eigenschaft, die zum Beispiel Sprungfedern haben oder auch Stressbälle aus Kunststoff.

Diese wurde innerhalb der Psychologie dann auf den Menschen übertragen. Resilient, das sind die buchstäblichen ‚Stehaufmännchen‘ unter uns. Sie schaffen es, sich trotz widriger Umstände, trotz vieler Rückschläge immer wieder zu fangen. „Aufstehen, Krone richten, weitermachen“ – vielleicht kennen Sie diesen Spruch. Die Idee dahinter: Nach einer Störung lässt sich der Grundzustand wiederherstellen. Dazu bedarf es Robustheit. Grundvoraussetzung für das Funktionieren dieses Modells ist, dass die Rahmenbedingungen vor der Störung dieselben sind wie danach.


Resilienz 2.0

Was aber, wenn der Wandel zur Konstante wird? Die Krise zum neuen Normal? Die „alte“ Resilienz, die beim Durchhalten und Weitermachen hilft, läuft hier buchstäblich ins Leere. Schließlich ist ihr Zielpunkt – der Status Quo ante – weggefallen.

Wenn sich mit der Störung die Rahmenbedingungen ändern, braucht es neben der Fähigkeit aufzustehen noch eine andere Kompetenz: sich neu orientieren und anpassen zu können. Das ist Resilienz 2.0. Resiliente Adaption heißt demnach, Altes loszulassen, Neues auszuprobieren und Bewährtes zu vertiefen – immer wieder.

Sicherheit übrigens ist in diesem Zusammenhang kein statischer Zustand mehr, sondern ein dynamischer Prozess, der immer wieder neu durchlaufen werden muss. Wer sich wiederholt als wirksam im Umgang mit Unsicherheit erlebt, baut Sicherheit in sich selbst auf und entwickelt sich weiter.


Die 7 Schutzfaktoren der Resilienz

Resiliente Menschen vereinen Eigenschaften, die auf drei Grundhaltungen beruhen [1]:

1. Optimismus

Resiliente Menschen betrachten neue Situationen und Gegebenheiten vor allem als unerwartete Chancen. Gedanken an zukünftige Möglichkeiten geben ihnen einen Energieschub. Rückschläge oder Enttäuschungen buchen sie zumindest im Nachhinein als Erfahrungen ab, die sie weiterbringen. Wenn die Umstände nicht so sind, wie sie es sich vorstellen, suchen sie nach dem Guten im Schlechten.

2. Akzeptanz

Resiliente Menschen wissen und akzeptieren, dass Unglück, Enttäuschung und Widrigkeiten Teile des Lebens sind, die sich weder vermeiden noch spurlos beseitigen lassen. Menschen mit einer akzeptierenden Grundhaltung nutzen ihre mentale und emotionale Energie dafür, unabänderliche Gegebenheiten konstruktiv zu verarbeiten und in ihr Leben zu integrieren.

3. Lösungsorientierung

Sich auf Lösungen zu fokussieren, öffnet den Blick nach vorne und setzt Energie für das Wesentliche frei. Dabei tritt die ausführliche und systematische Beschäftigung mit Problemen und ihren Ursachen automatisch in den Hintergrund. Indem resiliente Menschen sich so ausgiebig mit Lösungen befassen, eröffnen sie neue Perspektiven und erweitern ihre Spielräume. Aus Problemen werden Aufgaben und Herausforderungen.

Auf Basis dieser drei Grundhaltungen entwickeln resiliente Menschen vier charakteristische Fähigkeiten:

4. Sich selbst regulieren

Resiliente Menschen verstehen es, sich selbst im Hinblick auf unterschiedliche Befindlichkeiten, Umgebungen und Situationen angemessen zu steuern. Sie können sich entweder aktivieren oder beruhigen, je nachdem, was sie brauchen und was die Situation verlangt. So bringen sie ihre Stimmungen, Antriebe und Reaktionen immer wieder in eine effiziente und wohltuende Balance.

5. Verantwortung übernehmen

Das Gefühl, das eigene Leben im Wesentlichen unter Kontrolle zu haben, bedeutet, nicht abhängig zu sein von äußeren Bedingungen, von Vorstellungen der Eltern, von fremden Erwartungen und verinnerlichten Ansprüchen oder von der Anerkennung des Chefs.

6. Beziehungen gestalten

Die Qualität unserer Beziehungen macht einen großen Teil unserer Lebensqualität aus. Resiliente Menschen zeichnen sich neben der persönlichen Intelligenz der Selbstregulierung durch ausgeprägte soziale Kompetenzen aus. Sie sind bereit und in der Lage, sich auf unterschiedliche Menschen einzustellen, ohne sich selbst zu verbiegen. Resiliente Menschen scheuen sich nicht, andere in Anspruch zu nehmen, wenn sie Unterstützung brauchen oder die Sache es erfordert. In gleichem Maße sind sie selbst bereit, ihr Wissen, ihre Erfahrung oder ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, wo es nötig und gewünscht ist.

7. Zukunft gestalten

Resiliente Menschen nehmen lieber möglichst viel Einfluss auf ihre Zukunft, statt sich immer wieder mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Die Zukunft ist die Zeit, die wir durch Vorbereitung (mit)gestalten können, indem wir die Erfahrungen der Vergangenheit und die Tendenzen der Gegenwart verwerten. In der Zukunft spüren wir die Auswirkungen dessen, was wir heute tun. Sie ist die Zeit, in der sich die Investitionen und das Lernen von heute auszahlen. Die Zukunft ist das Zeitfenster, in dem wir uns immer wieder entscheiden können, die Dinge anders zu machen.


Praxisteil

Resilienz ist ein Prozess

Niemand ist von Haus aus resilient. Wir werden es durch das, was wir lernen. Und zwar ein Leben lang.

Resiliente Menschen ‚managen‘ Schwierigkeiten nicht nur, sie integrieren die Lernerfahrungen aus deren Überwindung und reifen dadurch als Persönlichkeit.

Resilienz gleicht damit einer Versicherung für die Zukunft. Sie schafft Bewältigungsreserven für kommende Herausforderungen und betrifft quasi alle Lebensbereiche. Resilienz ist ein zentrale Kompetenz bewusster Lebensgestaltung und persönlicher Entwicklung.


Tipp 1: Üben Sie sich in Akzeptanz

Akzeptanz beschreibt eine annehmende Haltung gegenüber Situationen, die gerade nicht zu ändern sind. Das heißt nicht, dass Sie alles passiv hinnehmen und sich ohne Gegenwehr in ihr Schicksal ergeben.

Nein, Akzeptanz heißt Annehmen des gerade Unabänderlichen. Es ist ein Innehalten und Suchen nach Einflussmöglichkeiten in diesem Rahmen. All das schafft bereits Abstand und Entlastung. Deshalb gilt: Akzeptieren ist verändern!

Steven Covey hat dafür ein sehr interessantes Modell entwickelt, den sog. „Circle of Influence“. Dieser hilft uns zu erkennen, wofür wir unsere Kraft und Energie einsetzen. Weil wir es beeinflussen können.

Der „Circle of Concern“ (Betroffenheitsbereich)
Im äußeren Kreis geht es um alle Themen, die wir nicht oder nur sehr wenig beeinflussen können. Aufmerksamkeit und Energie, die sich hierauf richten, gehen ins Leere und entfalten keine Wirkung.

Der „Circle of Influence“ (Einflussbereich)
Im inneren Kreise geht es um die Themen, auf die wir direkt oder indirekt Einfluss haben. Aufmerksamkeit und Energie, die sich hierauf richten, entfalten höchstwahrscheinlich Wirkung.

Mit diesen beiden Kreisen vor Ihrem inneren Auge können Sie sich im Alltag immer wieder fragen:

Schritt 1: Kann ich dieses Thema beeinflussen?
Falls nicht, dann gehört es (zunächst) in den Außenkreis.
Beispiel: Sie ärgern sich über Ihre Kollegin, die sich nicht so verhält, wie Sie es gerne hätten. Dazu zwingen allerdings können Sie sie nicht.

Schritt 2: Überlegen Sie dann, ob es nicht etwas gibt, das Sie tun können, damit es Ihnen im Umgang mit dem Thema besser geht.
Beispiel: Sie ändern Ihr eigenes Verhalten gegenüber der Kollegin und beobachten, was dann passiert.

Mit diesem Switch verändern Sie immer wieder den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit – raus aus der Ohnmacht und rein in die Wirksamkeit. Sie werden merken, dass auch vermeintliche Kleinigkeiten, die Sie selbst auf den Weg bringen, eine erstaunlich große Wirkung entfalten.

Mehr noch: Sie trainieren mit jedem Perspektivenwechsel auch Ihren „Resilienzmuskel“. Und mit der Zeit wird Ihr persönlicher Einflussbereich immer größer.


Tipp 2: Nehmen Sie eine Ressourcen-Dusche

Manchmal sehen wir vor lauter Wald die Bäume nicht mehr. Vor lauter Probleme nicht mehr die Lösung. Leider übersehen wir dann oft auch, dass viele hilfreiche und nützliche Dinge passieren. Gleichzeitig.

„Energy flows where attention goes.” Der bewusste Blick auf das, was gut läuft, gibt uns Mut und Kraft für die nächsten Schritte.

Unser Tipp für Sie:

Halten Sie sich zum Beispiel auf Ihrem Schreibtisch, einen Stapel kleiner Zettel griffbereit. Wenn etwas passiert, worüber Sie sich freuen oder das Sie als gelungen empfinden, notieren Sie dies auf einen Zettel. Dann sammeln Sie diese in einem Glas oder einem anderen Behälter.

Was können Sie jetzt mit den Notizen tun, um Ihre Resilienz zu steigern?

Wochenrückblick:

Gehen Sie Ihre Zettelchen Ende der Woche in Ruhe durch. Worüber haben Sie sich in dieser Woche gefreut? Was ist gelungen? Worauf sind Sie stolz?

Halten Sie dann einen Moment inne und spüren Sie, was die Zettelchen und ihr Inhalt in Ihnen auslösen. Wie fühlt sich Ihr Brustkorb an? Wie fließt Ihr Atem? Wie stehen Sie mit Ihren Füßen auf dem Boden? Verankern Sie diese Empfindungen so gut wie möglich in Ihrem Gedächtnis.

Energie-Kick für Krisen:

In schwierigen Situation erleben wir unser Umfeld oft wie in einem Tunnel. Wir sehen nur noch Probleme, Probleme, Probleme.

Jetzt können Sie Ihre Zettelsammlung auch nutzen. Greifen Sie rein in das Glas, ziehen Sie einen Zettel und lesen Sie ihn. Kommt Ihnen die Situation wieder in den Sinn? Erinnern Sie sich, wie Sie sich dabei gefühlt haben. Spüren Sie, wie sich Ihre Körperempfindungen verändern? Wie sich Ihr Blick weitet, der Brustkorb öffnet und der Atem leichter fließt, wie sich Muskeln entspannen? Jetzt sind Sie auch wieder in der Lage, den Fokus auf Lösungen zu richten.


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Quellen:

[1] Gruhl, M. (2022). Resilienz. Die Strategie der Stehauf-Männchen. Freiburg: Herder-Verlag.

Tipp 2 adaptiert nach: https://www.marieluise-noack.de/artikel/resilienz-staerken-das-solltest-du-wissen-und-5-tolle-uebungen

Beitragsbild: Pixels

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