Corona bestimmt noch immer unser Leben. Und das gilt für das Berufs- ebenso wie für das Privatleben. Natürlich wirkt sich die aktuelle Situation ganz besonders auf die Menschen aus, mit denen wir den Alltag teilen. Was heißt das für die Partnerschaft?
In der „Paarantäne“
Das Corona Virus bestimmt momentan immer noch den Alltag. Isolation und Kontaktbeschränkungen führen dazu, dass Paare sehr viel oder sehr wenig gemeinsame Zeit miteinander verbringen – je nachdem, ob sie in einem gemeinsamen Haushalt leben oder nicht. Das kann zur Belastungsprobe werden.
Insgesamt sind sich 27 Prozent der Bundesbürger, die in einer Partnerschaft leben, unsicher, ob ihre Beziehung die Corona-Krise unbeschadet übersteht. Auffällig: Besonders Befragte mit schulpflichtigen Kindern (38 Prozent) sorgen sich um ihr Liebesglück. Unter den Paaren, die keine schulpflichtigen Kinder haben, rechnet jeder Fünfte (21 Prozent) mit Beziehungsstress. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Online-Partnervermittlung Parship unter rund 1000 Bundesbürgern.
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Eine Sache der Balance
Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick hinter die Kulissen. Was passiert gerade?
Partnerschaften funktionieren durch ein sehr feines Zusammenspiel zweier unverzichtbarer Grundbedürfnisse, nämlich Autonomie und Bindung. Es ist wie auf einer Waage: Auf der einen Schale liegt die Autonomie, auf der anderen die Bindung. Und jedes Paar hat seine ganz eigene Mischung, die es braucht, damit die Waage in Balance bleibt.
Dieses Gleichgewicht zu halten, ist schon unter „normalen“ Umständen schwer. Denn jede(r) hat hier ganz eigene Vorstellungen und Notwendigkeiten. Und da es sich um so zentrale Bedürfnisse handelt, sind Kompromisse oft schmerzhaft.
Mit Corona verändern sich die Rahmenbedingungen, sozusagen, der Raum, in dem die Waage steht. Und das Entscheidende ist: Die Veränderung geschieht NICHT freiwillig! Wir müssen uns fügen, weil es einfach keine Alternative gibt. Das verdoppelt die Herausforderung: Die gewohnte Balance gerät ins Wanken. Das kann Ärger geben. Zugleich gilt es, mit der Hilflosigkeit angesichts der aufgezwungenen Situation umzugehen.
Zu nah oder zu weit?
Manche Menschen leben in einer glücklichen Beziehung – wollen dabei aber auch bewusst Raum für sich selbst haben. Andere mögen Nähe sehr und auch ständig – sind es aber vielleicht trotzdem nicht gewohnt, die Partnerin oder den Partner die ganze Zeit um sich zu haben. Und wieder andere mögen Abwechslung. Dass man sich aktuell vielleicht zu oft und zu viel sieht, dass man ständig Zeit miteinander verbringt (im Home Office etwa), kann die Beziehung belasten. Die ständige Nähe stresst.
Auf der anderen Seite kann gerade die Nähe auch fehlen. Zum Beispiel, weil die Partner entfernt voneinander wohnen und die Risiken einer Ansteckung mit Corona für sich, für andere Menschen im persönlichen Umfeld, für die Partnerin oder den Partner reduzieren möchte. Das ist sehr sinnvoll und wichtig! Und trotzdem bereitet auch diese Distanz Stress. Die Nähe – emotional wie körperlich – fehlt.
Corona ist nicht gleich Corona
Belastend kann nicht zuletzt auch die Art des Umgangs mit der Corona-Krise sein. Was für den einen bedrohlich und vielleicht existenzgefährdend erscheint, ist für den anderen vielleicht nur lästig. Gehen die persönlichen Einschätzungen hier sehr weit auseinander, birgt das Konfliktpotenzial. Verständnis zu haben für die Empfindungen der Partnerin oder des Partners, wird schwierig.
Neben der Gefährdung durch das Coronavirus macht vielen die wirtschaftliche Situation und die Betreuung der Kinder zu Hause zu schaffen. Die Struktur des Alltags mit ihren haltgebenden Routinen fällt weg. Die übliche Verteilung von Rollen und Verantwortung trägt im Moment nicht mehr.
Dadurch liegen die Nerven blank. Das sind Faktoren, die dazu führen, dass es sehr viel schneller zu Streit kommt als unter normalen Umständen.
Gemeinsam stark
Auf der anderen Seite können sich die Belastungen durch die Corona-Krise auch beziehungsförderlich auswirken. Warum? Weil eine Stress-Situation, die beide Partner betrifft, in der Regel die gemeinsame Stressbewältigung stimuliert. Das Paar erkennt, dass es zusammen stärker ist. Dass sich der Zusammenhalt in schweren Zeiten lohnt.
Stress gemeinsam zu tragen, verringert nicht nur dessen negativen Einfluss, sondern stärkt auch das Wir-Gefühl des Paares – und dadurch Intimität und Vertrauen. Paare, die Belastungen gemeinsam bewältigen, erweisen sich in allen Studien als zufriedener und längerfristig stabiler. Dabei ist es noch wichtiger, gemeinsam den Stress zu bewältigen, also konstruktiv miteinander zu kommunizieren.
Das ist doch eine gute Nachricht in diesen Zeiten, oder?
Zeichen richtig deuten
An diesen Hinweisen können Sie merken, dass die aktuelle Situation Ihre Partnerschaft belastet:
- Altbekannte Probleme werden auf einmal (wieder) akut.
- Sie streiten sich deutlich häufiger als normal.
- Sie haben große Sehnsucht danach, alleine zu sein und Zeit für sich zu haben.
- Sie denken gerade nicht (mehr) über die gemeinsame Zukunft nach.
- Sie zögern vielleicht sogar eine anstehende Trennung hinaus.
An diesen Hinweisen können Sie feststellen, dass die Krise Ihre Partnerschaft festigt:
- Sie empfinden mehr Wertschätzung für Ihre Partnerin oder Ihren Partner – als „Fels in der Brandung“ oder kompetenten Krisenmanager.
- Sie werden noch vertrauter miteinander – vielleicht auch, weil Sie mehr Alltag teilen als sonst.
- Sie nutzen die Zeit, um Ihre Partnerschaft zu gestalten, indem Sie zum Beispiel mehr und persönlicher reden. Auf die Partnerin/den Partner als einzigen sozialen Kontakt zurückgeworfen zu sein, macht eine Beschäftigung miteinander fast unvermeidbar. Das kann sehr fruchtbar für die Entwicklung der Beziehung sein.
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So nutzen Sie die Krise für Ihre Partnerschaft
Bleibt die Frage: Was kann ich, was können wir tun, um gemeinsam gut durch diese besondere Zeit zu kommen? Schauen Sie dabei zuerst auf sich. Denn sich selbst zu stärken, stärkt auch Ihre Beziehung. Schließlich können Sie nur das Verständnis oder die Unterstützung geben, die Sie selbst haben. Überlegen Sie, was Sie im Moment brauchen und tun Sie möglichst viel davon. Das klappt sicher mal besser, mal nicht so gut. Egal. Es geht um den Fokus, den Sie auf sich selbst richten. Hier ein paar Anregungen:
- Gestalten Sie Ihren Tag so bewusst wie möglich: Geben Sie sich einen festen Tagesablauf und behalten Sie gewohnte Routinen bei. Trennen Sie Arbeit und Freizeit, Wochentag und Wochenende.
- Nehmen Sie sich regelmäßige Freiräume, die ganz alleine Ihnen gehören. Der eine erholt sich vielleicht besser bei einem Workout im Wohnzimmer, während der andere lieber spazieren geht. Was passt am besten für Sie?
- Bleiben Sie digital verbunden: Gehen Sie mit Menschen in Kontakt, die Ihnen wichtig sind. Sprechen Sie über das, was Sie beschäftigt.
- Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie tun können. Akzeptieren Sie die Dinge, die Sie nicht ändern können.
- Wenden Sie sich an einen Profi, wenn Ihnen alles zu viel wird – vor allem, wenn Sie mit Ängsten, starker Anspannung, Reizbarkeit und depressiver Stimmung kämpfen.
Nähe nutzen
Vieles spricht dafür, sich gerade jetzt verstärkt um die Partnerin oder den Partner zu bemühen. Denn eine stabile Beziehung gibt Halt in einer Welt, die sich gerade grundlegend verändert. Kaum etwas beruhigt so gut wie die Gegenwart eines vertrauten Menschen.
Wenn Sie beide in einem Haushalt leben, fällt auch das Abstandsgebot weg. Denn viele von uns wissen, wie gut es tun kann, jemanden zu umarmen und zu berühren. Einen Partner, eine Partnerin bei sich zu haben. Menschen, die einem vertraut sind und denen man vertraut – gerade in Zeiten, die uns viel abverlangen. Aus der Psychoneuroimmunologie wissen wir, dass Stress das Immunsystem nachweislich schwächt. Die Nähe zu einem vertrauten Menschen kann Stress hingegen abbauen und sich so möglicherweise stärkend auf das Immunsystem auswirken.
Alte Gewohnheiten und neue Rituale
Möglicherweise sind Sie ohnehin den ganzen Tag in ein und denselben vier Wänden – beschäftigt mit Homeoffice und Homeschooling. Wenn Sie so viel zusammen sind, ist es umso wichtiger, dass Sie bewusst Zeit miteinander verbringen und diese bewusst gestalten.
Wie das aussieht, wissen Sie am besten. Sie können an alte Gewohnheiten (wieder) anknüpfen oder neue Rituale schaffen. Lange Spaziergänge mit Picknick, Fahrradtouren, Filmschauen, gemeinsam kochen, tanzen im Wohnzimmer … was auch immer.
Versuchen Sie in diesen Momenten, Corona und beiseite zu schieben und seien Sie ganz bei dem Menschen, der mit Ihnen durch diese schwere Zeit geht. Es ist ein Geschenk!
So schaffen Sie Raum für Konflikte
In den letzten Monaten liegen die Nerven allzu oft blank. Ganz besonders dann, wenn die Belastung zur Überlastung wird und gewohnte Bewältigungsstrategien nicht mehr greifen. Das sorgt auch für Zündstoff in Beziehungen. Ebenso problematisch kann ein unterschiedlicher Umgang mit der Pandemie sein. Denn während der eine vielleicht dauernd die News checkt und Probleme hat, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, blendet die andere die Situation eher aus. Wieder andere packen an, um die Krise zu bewältigen.
Wichtig hierbei: Keine Reaktion ist „richtig“ oder „falsch“. Wir alle verhalten uns auf Basis dessen, was wir in unserem Leben gelernt haben und wie es uns gerade geht – wie belastbar wir sind. Eine Krisensituation wie die aktuelle kennt keine Standardreaktion. Und selbst wenn ich Gefühle und Verhalten meines Gegenübers so gar nicht nachvollziehen kann, sind diese für ihn oder für sie stimmig. Sie sind einfach.
Weil Nachsicht für die Stressreaktion des anderen meist besser helfen als Kritik, ist das aufrichtige Bemühen um Verständnis eine unverzichtbare Voraussetzung. Eine praktische Möglichkeit, eben dies zu üben, ist das sogenannte Zwiegespräch.
Das Zwiegespräch
So geht’s:
- Sie vereinbaren einen regelmäßigen Termin von etwa 60 Minuten Dauer pro Woche. Suchen Sie sich einen guten Platz. Denn während des Zwiegesprächs sollten Sie ungestört sein.
- Das Thema ist: „Ich spreche über das, was mich bewegt. Wie ich mich, dich und die aktuelle Situation erlebe. Was ich habe und was ich brauche.“
- Setzen Sie sich eine bestimmte Zeit. Fünf bis zehn Minuten für den Anfang genügen. In dieser Zeit spricht die Partnerin/der Partner. Die andere Person hört nur zu. Danach tauschen Sie.
- Keinen „eigenen Senf“! Hören Sie zu, ohne etwas zu sagen oder zu fragen. Geben Sie keine Ratschläge.
- Bei Bedarf können Sie wechseln, bis jeder drei Mal gesprochen hat.
- Danach beenden Sie das Zwiegespräch.
- Die Regelmäßigkeit der Gespräche ist ein Geheimnis ihres Erfolges. Denn so haben Sie immer wieder die Gelegenheit, gesprochene „Selbstporträts“ auszutauschen. Sie lernen Ihre Partnerin/Ihren Partner in ihrer/seiner Andersartigkeit kennen und aktualisieren Ihr Bild von ihr/ihm. So bleiben Sie in Kontakt – auch bei vordergründig schwierigen oder kontroversen Themen.
Innehalten und entscheiden
Ist Corona jetzt eine Belastung oder eine Chance für meine Partnerschaft? Wahrscheinlich unterschreiben Sie weder das Eine noch das Andere zu 100 Prozent. Das ist normal. Denn auch die Corona-Krise birgt alle Optionen. Fragen Sie sich deshalb immer wieder: „Was kann ich selbst für eine gelingende Beziehung tun?“
Gerade jetzt ist es wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was wir am anderen schätzen und – auch wenn es in Stress und Streit schwerfällt – nicht zu kritisieren und Fehler zu suchen.
Eine kurze Geschichte zum Schluß
Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.
Der Alte sagte nach einer Weile des Schweigens: „Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend.“
Der Junge fragte: „Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?“.
„Der Wolf, den ich füttere“, antwortete der alte Indianer.
Quellenangaben: