Veränderungsfähigkeit als Zukunftskompetenz für Mitarbeitende
Resilienz ist nicht neu. Dennoch erlebt das Konzept derzeit eine Renaissance. Wird nämlich die Krise zur Konstante, sind Stehaufmännchen-Qualitäten gefragter denn je. Anders als früher jedoch geht es nicht mehr nur ums bloße Weitermachen nach Rückschlägen, sondern um einen selbstsicheren Umgang mit der Unsicherheit. Mitarbeitende mit dieser Kompetenz sind besser für die Zukunft gerüstet.
Die US-amerikanische Psychologin Emmy Werner gilt als die „Mutter“ der Resilienzforschung. Mit ihrem Team begleitete sie über 40 Jahre lang knapp 700 Kinder, die 1955 auf der Hawaii-Insel Kauai geboren wurden. Knapp ein Drittel dieser Kinder wuchsen unter äußerst schwierigen Verhältnissen auf: Armut, Krankheit der Eltern, Vernachlässigung, Gewalt in der Familie, Misshandlung, niedriger Bildungsstand der Eltern, etc. Zwei Drittel dieser „Risiko-Kinder“ fielen als Jugendliche durch Lern- oder Verhaltensstörungen auf, wurden straffällig bzw. psychiatrisch auffällig. Ein Drittel dieser Kinder jedoch entwickelte sich erstaunlich positiv. Sie waren erfolgreich in der Schule, integriert ins soziale Leben und zeigten zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung Verhaltensauffälligkeiten.
Was also machte den Unterschied? Es waren bestimmte Eigenschaften, die diese Kinder (und später Erwachsenen) in sich trugen bzw. entwickelten. Und eben jene Merkmale ließen sie wachsen an widrigen Verhältnissen. Emmy Werners Fazit: Weniger die Rahmenbedingungen zählen als deren Wirkung und Umgang damit.
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Resilienz als Robustheit
Der Begriff Resilienz kommt aus der Physik. In der Werkstoffkunde bezeichnet er die Fähigkeit eines Stoffs, nach dem Verformen in seine ursprüngliche Form zurückzufinden. Diese Sichtweise wurde im frühen Resilienzdiskurs auf den Menschen übertragen. So bezeichnete Resilienz zunächst die Fähigkeit, sich trotz widriger Umstände immer wieder zu fangen, aufzustehen und weiterzumachen. Im Bild erscheint das klassische ‚Stehaufmännchen‘. Nach der Störung, so die Grundidee, geht es um die Wiederherstellung des Grundzustands. Robustheit ist die Qualität dieser Fähigkeit.
Voraussetzung für das Funktionieren dieses Modells ist die Annahme, dass der Status Quo ante dem Status Quo post entspricht. Dass also die Rahmenbedingungen vor der Störung dieselben sind wie danach.
Resilienz als Anpassungsfähigkeit
Was aber, wenn der Wandel zur Konstante wird, die Dauerkrise zum neuen Normal? Wenn das Umfeld vor der Störung nicht mehr demjenigen danach entspricht? Die „alte“ Resilienz, verstanden als Widerstandskraft, die beim Durchhalten und Weitermachen hilft, läuft hier buchstäblich ins Leere. Schließlich ist ihr Zielpunkt – der Status Quo ante – weggefallen.
Es braucht ein neues, weiterentwickeltes Verständnis von Resilienz. Eines, in dem eine evolutionär-innovationsorientierte Perspektive an Relevanz gewinnt. Hier spielen Sicherheit und Unsicherheit eine zentrale Rolle. So verstehen resiliente Menschen Sicherheit nicht (mehr) als statischen Zustand, sondern als einen dynamischen Prozess, der immer wieder neu aufgebaut und ausgehandelt werden muss. Ihre Fähigkeit liegt vor allem darin, diese Tatsache anzunehmen, zu handeln und damit erfolgreich zu sein. Denn wer sich wiederholt als wirksam im Umgang mit Unsicherheit erlebt, baut Sicherheit in sich selbst auf und entwickelt sich weiter. Zielpunkt hier ist nicht mehr der alte, sondern ein neuer Status quo – im Einklang mit den neuen Rahmenbedingungen. So gelingt die Adaption an ein sich beständig veränderndes Umfeld. Damit steht moderne Resilienz in erster Linie für Anpassungsfähigkeit.
Resilienz als lebenslanger Prozess
Ein Widerspruch jedoch sind beide Lesarten der Resilienz keinesfalls. Schließlich bedeutet resiliente Adaption, Altes loszulassen, Neues auszuprobieren und Bewährtes zu vertiefen – immer wieder. Voraussetzung für Resilienz ist demnach ein lebendiges Verhältnis von Robustheit und Anpassungsfähigkeit, von Tradition und Innovation.
Resilienz als Kompetenz gibt Menschen Sicherheit im Umgang mit Unsicherheit. Und genau darin begründet sich ihre dynamische Natur: Resilienz ist ein lebenslanger Prozess zwischen einem Individuum und seinem Umfeld.
Oft sind nicht die Herausforderungen, Niederlagen oder Krisen selbst problematisch, sondern ihre Wirkung auf das Leben von Menschen. Wie diese aussieht, hängt in hohem Maße von deren Fähigkeit zur erfolgreichen Verarbeitung des Erlebten ab. Resiliente Menschen ‚managen‘ Schwierigkeiten nicht nur, sie integrieren die Lernerfahrungen aus deren Überwindung und reifen dadurch als Persönlichkeit. Resilienz gleicht einer Versicherung für die Zukunft. Sie schafft Bewältigungsreserven für zukünftige Herausforderungen und betrifft damit alle Lebensbereiche.
So gesehen, ist die ausgeprägte Anpassungsfähigkeit eine zentrale Kompetenz bewusster Lebensgestaltung und persönlicher Entwicklung.
Resiliente Menschen vereinen Eigenschaften, die auf drei Grundhaltungen beruhen[1]:
- Optimismus
- Akzeptanz
- Lösungsorientierung
Auf Basis dieser drei Grundhaltungen entwickeln resiliente Menschen vier charakteristische Fähigkeiten:
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Was Unternehmen tun können
Was hat das Unternehmen davon, wenn es die Resilienz seiner Mitarbeitenden fördert?
Resilienzförderung ist kein Selbstzweck für Organisationen, anpassungsfähige Beschäftigte sind kein ‚Nice to Have‘. Es sind vielmehr jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gut umgehen können mit Veränderungen, mit wechselnden Anforderungen und hoher Aufgabenlast. Genau sie brauchen Unternehmen, um die Auswirkungen des Fachkräftemangels abzufedern (Mehrarbeit!) und neue Arbeitswelten zu gestalten. Andersherum betrachtet: Überlastung und Stress sind häufige Kündigungsgründe.
Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie die Wechselbereitschaft der deutschen Berufstätigen offensichtlich befördert hat. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die repräsentative Studie „Arbeiten 2022“[2] der Pronova BKK, für die im September 2022 rund 1.200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 18 Jahren befragt wurden. 26 Prozent von ihnen haben während der Pandemie den Arbeitgeber gewechselt, bei den unter 30-Jährigen war es sogar jede und jeder Zweite. 22 Prozent haben aus Überlastung und Stress die Stelle gewechselt. Insgesamt fühlen sich 84 Prozent im Arbeitsalltag gestresst, bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 94 Prozent.
Was können Unternehmen tun, um die Resilienz ihrer Mitarbeitenden zu fördern?
Resilienz lässt sich lernen und trainieren. Unternehmen können diesen Prozess auf mehreren Ebenen unterstützen.
Mitarbeitende
Eine offene und unterstützende Kultur ist einer der wichtigsten Resilienz-Hebel. Hierbei spielt die (psychische) mentale Gesundheit nicht nur inhaltlich eine zentrale Rolle. Es geht im Wesentlichen auch darum, die damit verbundenen Themen und Fragestellungen zu enttabuisieren und – weitergedacht – zu normalisieren. Der Fokus muss weggehen vom defizitorientierten „Wegmachen“ leistungsmindernder Störungen hin zu mehr Wissen und einem tieferen Verständnis um die eigene Psyche und ihrer grundlegenden Funktionsweise. Bewährt hierzu haben sich regelmäßige Angebote zum niederschwelligen und praxisorientierten Lernen, wie etwa Webinare.
Vermitteln lassen sich auf diesem Wege beispielsweise Inhalte zur Emotionsregulation. Wer weiß, wie Gefühle – gerade auch belastende – entstehen, welche Bedeutung sie haben und wie alternative Wege des Umgangs damit aussehen, vergrößert seinen persönlichen Handlungsspielraum. Konstruktive Emotionsregulation stärkt das Erleben des eigenen Einflusses und damit die Selbstwirksamkeit. Zudem machen sich innere Klärungsprozesse bemerkbar. Sie zeigen sich in einem veränderten Umgang mit sich selbst, in veränderter Mimik, Gestik und Körperhaltung. Das wirkt auch nach außen. Damit ist der Übergang von der Selbst- zur Beziehungsregulation fließend. Die Stärkung der persönlichen Resilienz wirkt damit weit über das Individuum hinaus.
Führungskräfte
Auch die Führungsqualität kann die Resilienz der Beschäftigten positiv beeinflussen. So belegen Studien[3] den direkten Zusammenhang zwischen einem sinnstiftenden Führungsstil und der psychischen Widerstandskraft der Beschäftigten. Je höher die Beschäftigten die sinnstiftende Führungsqualität ihrer Vorgesetzten einstufen, desto höher bewerten sie auch ihre eigenen resilienten Verhaltensweisen wie emotionale Bewältigung, umfassende Planung, positive Umdeutung und fokussierte Umsetzung.
Praxisrelevant und wissenschaftlich fundiert ist das KAARMA-Modell[4] der Psychologen Nico Rose und Michael F. Steger. Es vereint sechs sinnstiftende Verhaltensweisen, mit denen Führungskräfte das Sinnerleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern.
Das KAARMA-Modell
- Klarheit: Die Führungskraft verdeutlicht ihren Mitarbeitern regelmäßig die Ziele ihres Tuns und die Ziele der Organisation.
- Authentizität: Die Führungskraft verhält sich authentisch in ihrer Führungsrolle.
- Aktualisierung: Die Führungskraft kennt die Stärken ihrer Mitarbeiter und gestaltet die Aufgabenbereiche entsprechend.
- Respekt: Die Führungskraft behandelt ihre Mitarbeiter respektvoll.
- Mehrwert: Die Führungskraft verdeutlicht ihren Mitarbeitern, wie ihre Arbeit zum Erfolg des Gesamtsystems beiträgt.
- Autonomie: Die Führungskraft überträgt möglichst viel Verantwortung an ihre Mitarbeiter.
Interne Experten, z.B. HR und BR
Belastete, in ihrer Resilienz geschwächte Beschäftigte belasten auch die unternehmensinternen Experten. So werden etwa Personaler*innen und Betriebsrät*innen doppelt in Mitleidenschaft gezogen – qualitativ durch die Themen und quantitativ durch die Zeit zur Bearbeitung. Ein HR-Leiter ist kein Experte für Depressionen und nicht jeder Business Partner geschult im Konfliktmanagement. Sie können die psychosozialen Probleme der Beschäftigten nicht immer zeitnah und umfassend auffangen, ohne selbst in den Teufelskreis der Überforderung zu geraten.
Hier sind umfassende und wirksame Konzepte vonnöten, die den internen Expert*innen Unterstützung bei (emotional) schwierigen Themen bieten und auf diese Weise deren Resilienz fördern. Eines dieser Konzepte ist die externe Mitarbeiterberatung. Mit diesem 24/7-Service zur psychosozialen Begleitung lagern Unternehmen das „Kümmern“ an einen erfahrenen Partner aus und nehmen zugleich ihre Fürsorgepflicht wahr. Die internen Expert*innen werden dadurch spürbar entlastet.
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Quellen:
[1] afgm, Säulen der Resilienz, (2023)
[2] https://www.pronovabkk.de/unternehmen/presse/pressemitteilungen/studie-mehr-als-jede-und-jeder-dritte-wechselt-job-in-der-corona-krise.html (zuletzt abgerufen am 07.03.2023)
[3] https://idw-online.de/de/news759115 (zuletzt abgerufen am 03.03.23)
[4] https://nicorose.de/wp-content/uploads/2017/10/ZOE_2017_04_Rose_Steger.pdf (zuletzt abgerufen am 03.03.23)